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Erlebnisbericht JEF Deutschland JEF Thüringen

Gemeinsamer Bundesausschuss von JEF und Europa-Union – Gemeinsam für die Entwicklung unserer Verbände: Ein Bericht

Bericht von Mathias Staudenmaier

Zum Glück bin ich nicht abergläubisch. Wenn ich das nämlich wäre und den Start in das Bundesausschuss-Wochenende als Omen genommen hätte: Ich hätte wohl wieder direkt nach Hause gehen müssen. Durch einen Bahn-Streckenschaden vor Naumburg kamen wir drei Thüringer Teilnehmer nicht nur mit Verspätung, sondern auch nur unter Verlust einiger Nerven zur ersten Sitzung am Freitagabend in der Jugendherberge am Ostkreuz in Berlin an.

Doch natürlich ging ich nicht nach Hause. Schließlich stand eine ganze Menge Spannendes an: Nicht nur der JEF-BA selbst, sondern auch ein gemeinsamer BA mit der Europa-Union sowie eine Akademie zur Verbandsentwicklung. Das alles an einem Wochenende unterzubringen versprach allerdings natürlich auch einiges an Arbeit, wie man schon dem Ablaufplan entnehmen konnte: Sitzungen bis weit nach Mitternacht erweckten den Eindruck, als ob man versehentlich in die Sondierungen über eine neue Bundesregierung geraten wäre.
Der Vergleich mit der Regierungsbildung hinkt aber natürlich, schließlich wollten wir zu konstruktiven Ergebnissen kommen. Und das taten wir auch: Im gemeinsamen BA von JEF und EUD verabschiedeten wir eine Resolution zur Reform der EU, in der wir unter anderem Transnationale Listen für die Europawahl, eine/n Europaminister/in und Diskussionsforen zur Zukunft Europas fordern. Außerdem gab es einen Beschluss zur Reform des Europawahlgesetzes sowie eine Neufassung des Kooperationsabkommens zwischen JEF und EUD.

Es folgte am Samstagmittag der erste Teil der Verbandsentwicklungsakademie, die sich zum Ziel gesetzt hatte, nicht nur den Kopf, sondern auch Augen und Hand zu beschäftigen: Der Kopf wurde bei einer Session zum Projekt „Tru Lies“ beansprucht, in der es um Kommunikationsstrategien gegen populistische Aussagen über die EU ging. Augen und Hand wiederum bei einem Kurs zur zeichnerischen Visualisierung unserer Inhalte, bei dem selbst die Zwei-Linke-Hände-Fraktion (zu deren stolzen Mitgliedern ich mich zähle) teilweise zu großen Künstlern wurde.

Doch unser eigentliches Tagesgeschäft stand ja noch bevor. Na ja… „Tages“geschäft. Gegen 20 Uhr am Samstagabend wurde der JEF-BA von Freitag fortgesetzt, und wir hatten nicht weniger als 10 Anträge noch auf der Tagesor… äh, ich meine, der Nachtordnung stehen. Im Marathonschritt und mit den letzten Reserven Konzentration schafften wir es tatsächlich, bis 1:00 Uhr nachts alle Anträge und Änderungsanträge zu behandeln und sie dennoch alle auch inhaltlich zu würdigen. Auch wenn gegen Ende die Geschäftsordnungsanträge auf Vertagung sich häuften – wir hielten durch.

Der Sonntag schloss das Wochenende ab (das ist eine schlechte Angewohnheit von Sonntagen, machen die fast immer). Einerseits mit einem „World Café“ zur Verbandsentwicklung, in dem von der Präsenz in Social Media über Kampagnenarbeit bis hin zur internen Kommunikation in Landes- und Kreisverbänden viele Themen diskutiert wurden, andererseits mit einem Best-Practice Austausch über das Thema Europa an Schulen.

Auch wenn wir als Thüringer Landesverband unsere beiden Anträge zur Anti-Terror Politik und zum europäischen Mindestlohn für den Moment noch nicht mehrheitsfähig machen konnten, ziehen wir ein positives Fazit des Wochenendes: Stimmung und Debatten waren sehr gut. So nehmen wir eine Menge des berühmten JEF-Spirits wieder mit in unseren Landesverband und unsere Ortsgruppen.

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Erlebnisbericht JEF Deutschland JEF Thüringen

Bundesausschuss der JEF Deutschland in Brüssel – Erfahrungsbericht eines Neulings

Bericht von Mathias Staudenmaier

44 Leute, die an diesem Bundesausschuss teilnehmen. Alle im selben Verband wie ich und alle an derselben Sache arbeitend. Und ich kenne davon genau… zwei. Es war nicht nur mein erster BA, es war der erste Ausflug in den Bundesverband hinein, der erste Blick über den Tellerrand JEF Thüringen. Ist man da vorher ein bisschen unsicher, was einen erwartet? Könnte sein.

Und dann noch Brüssel. Die Location stand natürlich schon lange vor dem 22. März, dem Tag, als am Flughafen Zaventem und in der Metrostation Maelbeek sich Selbstmordattentäter in die Luft sprengten. Mein erster Gedanke an diesem Morgen beim Schauen der Sondersendungen: Es könnte schwer werden, meine Eltern davon zu überzeugen, dass ich in genau diese Stadt fahren würde.

Andererseits war Brüssel natürlich die logische Wahl: Die Hauptstadt Europas, Sitz zahlreicher EU-Institutionen, Schmelztiegel verschiedener Kulturen. Was könnte besser zu unserem Verband passen? Hier hatten wir die Möglichkeit, ein hervorragendes Rahmenprogramm parallel zum BA laufen zu lassen und uns auf europäischer Bühne zu präsentieren.

Auch ich kannte Brüssel von früheren Besuchen und mochte die Stadt. Das Rahmenprogramm versprach viel Interessantes. Und schließlich hatte ich nach zweieinhalb Jahren Mitgliedschaft das Gefühl, es würde endlich Zeit, Leute aus anderen Landesverbänden kennen zu lernen. Also galt es, jegliche Bedenken abzustreifen und sich über das Gästekontingent anzumelden.

Am Donnerstag, den 7. April, ging es los. Teilweise etwas übermüdet von der Anreise begann der BA auf Einladung von Rainer Wieland, MdEP, in der Landesvertretung Baden-Württembergs mit den üblichen Formalia. Das erste Highlight war allerdings für den kommenden Freitagmorgen angesetzt: Der Besuch im Europäischen Parlament.

Dort stand eine Diskussionsrunde mit den Abgeordneten Sven Giegold (Grüne/EFA) und Rainer Wieland (EVP), sowie dem SPD-Politiker Tilmann Tögel aus dem Ausschuss der Regionen an. Thema: Was können wir tun, um der größer werdenden Europaskepsis zu begegnen und auch die JEF selbst nach vorne zu bringen. Der allgemeine Tenor: streiten, Positionen einnehmen, klare Kante zeigen. Anregungen, die wir gerne mitnehmen.

Es folgte ein Gastgeberwechsel: Nun stellte uns die hessische Landesvertretung ihre Räumlichkeiten für die weiteren Beratungen zur Verfügung. Ich weiß nicht, ob es an den motivierenden Worten der MdEPs am Morgen lag, aber hier durfte ich die Diskussions- und Antragsfreude der JEF Deutschland kennen lernen. Ging der zunächst beratene Antrag für eine Reform des EU-Tranzparenzregisters noch relativ problemlos durch, wurde es beim Antrag des Bundesvorstands zum Erhalt des Schengen-Systems etwas komplizierter.

„Hat das Protokoll das?“: Der x-te Änderungsantrag zur Passage, die ein Anderer gerne gestrichen und der Dritte doch bitte verschoben haben wollte, verwirrte wahrscheinlich nicht nur mich als Neuling. Momente, in denen man froh ist, nicht die Sitzung leiten oder gar das Protokoll verfassen zu müssen. Aber, wie wir JEFer*innen nun einmal sind: Am Ende wurde doch gemeinsam ein Antrag beschlossen, der vor allem klar macht, dass die Freiheiten des Schengen-Systems für uns nicht verhandelbar sind.

Im anschließenden Get-Together mit der Europa-Union Brüssel in der Landesvertretung bestand die Möglichkeit, Kontakte zu in Brüssel befindlichen Praktikant*innen zu knüpfen. Das anschließende gesellige Beisammensein mit den Pommes Frites der weltberühmten Maison Antoine und leckerem belgischem Bier in den umliegenden Kneipen sollte bei jenen für sich genommen schon gute Werbung für einen JEF-Beitritt gewesen sein.

Trotzdem standen wir und insbesondere ich selbst am nächsten Morgen hellwach und putzmunter bereit, als… wie, das glaubt mir der Leser nicht? Wie dem auch sei, am nächsten Morgen ging es jedenfalls auf Exkursion in die flämische Stadt Ypern, die im Ersten Weltkrieg umkämpfte Frontlinie war.

Im Zeichen der Mohnblume, dem Symbol für die Erinnerung an die Gefallenen in diesem Stellungskampf, besuchten wir die Ausstellung „In Flanders Fields“, genauso wie drei Soldatenfriedhöfe in der Region. Auch dieser Programmpunkt passte letztlich hervorragend zu uns als JEF: Uns wurde noch einmal deutlich, wie aktuell noch immer der Auftrag zur Erhaltung und Schaffung des Friedens an Europa und an uns alle ist.

Am letzten Tag, dem Sonntag, wurde mir schließlich noch einmal die Pluralität des Verbandes vor Augen geführt: Im letzten inhaltlichen Antrag wurde der so genannte Brexit, also der Austritt Großbritanniens aus der EU, beraten. Ein innerhalb der JEF durchaus umstrittenes Thema, aber auch hier könnte man sich auf einen Beschluss einigen, der einerseits betont, Großbritannien in der EU halten zu wollen, dies gleichzeitig aber nicht um den Preis der „ever closer union“.

Nun, was nehme ich persönlich aus diesen vier spannenden Tagen mit? Einmal die Erkenntnis, dass die JEF auch außerhalb Thüringens ein geselliger „Haufen“ ist. Das sie plural, aber sozusagen wie die EU „In Vielfalt geeint“ ist. Und dass es sich lohnt, sich weiterhin für unseren Verein und die europäische Sache einzusetzen und zu engagieren.

[icon type=“picture“] Bildnachweis: Marcel von Collani, JEF Hessen.

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Erlebnisbericht JEF Jena

Veranstaltungsbericht: Der Kampf gegen den so genannten Islamischen Staat

Bericht von Bastian Stein

„Ich breche das Video hier ab, wir brauchen es nicht zu Ende zu sehen. Aber glauben sie mir, es ist richtig schrecklich“, mit solchen anschaulichen Beispielen und Erzählungen hat Marco Seliger über den Terror, das Vorgehen und die Strategie des so genannten Islamischen Staates (IS) sein Publikum fesseln können. Gerade seine journalistische Erfahrung und Erlebnisse im Nordirak waren der Grund, warum die JEF Jena ihn als Referenten für einen Vortrag und anschließenden Empfang eingeladen hatte. „Wir wollten gezielt keinen rein akademischen Vortrag. Wir haben einen Beitrag Marco Seligers über den Nordirak und wollten genau das live“, erläutert Tobias Sonnenberg, Mitglied der JEF Jena. Marco Seliger präsentierte aber auch anspruchsvoll und umfassend und konnte viele für das Publikum überraschende Details des Konfliktes um den IS darstellen. So würden sich die Führungsschicht des IS ursprünglich aus irakischen ehemaligen Geheimdienstoffizieren rekrutieren und weniger aus den religiösen Fanatikern, die unser Bild des IS prägen. Damit konnte Marco Seliger auch das perfide wie professionelle Vorgehen des IS erklären, angefangen von hervorragender Propaganda bis zum ausgeklügelten Spitzel- und Terrorsystem. Es wurde ein Vergleich zum 30-jährigen Krieg gezogen – auch im derzeitigen Konflikt in Syrien und Irak würden religiöse Argumente die wirtschaftlichen und politischen Motive der Akteure verdecken. So sind eine Vielzahl von Akteuren in diesem Stellvertreterkonflikt beteiligt, neben Russland und Iran auch afghanische Hazara und zukünftig vielleicht pakistanische Soldaten.

Seine Einschätzung des IS und den Erfolgsaussichten einer westlichen Intervention gegenüber ist angesichts dieser Komplexität ernüchternd. Zwar bilde der IS auf Dauer keinen funktionierenden Staat. Solange die Sunniten zwischen dem alawitischen Assad-Regime und Russland auf der einen und der schiitischen irakischen Regierung und Iran auf der anderen Seite aufgerieben werden, haben sie keine Alternative zum IS. „Der IS ist zuallererst eine Idee für die Sunniten und die lässt sich nicht wegbomben“, so Seliger. Der IS besitzt eine kulturelle und politische Dimension bis nach Europa und ist hier auch erfolgreich. „Der IS braucht den Hass auf sunnitische Muslime. Der Aufstieg von Pegida und AfD ist das Beste, was dem IS in Deutschland passieren kann“, wagt Seliger eine These.

Die Veranstaltung wurde von JEF Jena gemeinsam mit den der Reservistenkameradschaft Jena, der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) und der Landesgruppe Thüringen des Reservistenverbandes durchgeführt. Die Entscheidung mit einer Reservistenkameradschaft zu kooperieren war bewusst gewählt. „Sicherheitspolitik ist hochaktuell, spannend und stößt auch bei jungen Menschen außerhalb der Bundeswehr auf Interesse“, so Tobias Sonnenberg. Der übervolle Saal gibt ihm Recht. „Das ist das jüngste Publikum, vor dem ich jemals einen Vortrag gehalten habe“, so Seliger.

[row][column md=“5″]Volles Haus im Großen Saal des Hauses auf der Mauer.[/column][column md=“7″]Kampf gegen den so genannten Islamischen Staat: Volles Haus im Großen Saal des Hauses auf der Mauer[/column][/row] [row][column md=“5″]Referent Marco Seliger schildert plastisch die Herkunft und das Tun des so genannten Islamischen Staats.[/column][column md=“7″]Kampf gegen den so genannten Islamischen Staat: Referent Marco Seliger schildert plastisch die Herkunft und das Tun des so genannten Islamischen Staats[/column][/row] [row][column md=“5″]Die Veranstalter (JEF und Reservistenverband) mit Referent Marco Seliger.[/column][column md=“7″]Kampf gegen den so genannten Islamischen Staat: Die Veranstalter (JEF und Reservistenverband) mit Referent Marco Seliger[/column][/row] [icon type=“picture“] Bildnachweis: Morlin Hermann, Erik Heurich

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Erlebnisbericht JEF Deutschland JEF Thüringen

Wir holen uns Europa zurück – Bericht vom Bundeskongress 2015 in Berlin

Bericht von Ilka Maria Hameister und Martin Luckert

Das Motto des diesjährigen Bundeskongresses der JEF Deutschland in Berlin war eine klare Ansage. Die Thüringer Delegation mit Ilka, Martin, Natascha und Paul brachte sich mit eigenen Anträgen, zahlreichen Änderungswünschen und Wortbeiträgen in die Debatte ein.

Im Leitantrag des Bundesvorstands wurde die gesamte Bandbreite der politischen Debatte aufgegriffen: Neben einer Stärkung der europäischen Wirtschaft gegenüber Bankenkrisen durch einen gemeinsamen Einlagensicherungsfond, fordert die JEF Deutschland in ihrem Leitantrag eine über die Jugendgarantie hinausgehende Stärkung des Arbeitsmarktes gegenüber der Jugendarbeitslosigkeit. Die Forderung nach einem europäischen Wirtschaftsministerium und Investitionen in die Forschung sowie weitere zukunftsweisende Ziele wurden ebenfalls im Leitantrag festgehalten. Auch die Themen Asyl-, Einwanderungs- und Freizügigkeitspolitik wurden aufgenommen und beinhalten u.a. den Appell Flüchtlingen in Zukunft zu ermöglichen, Asyl bereits in EU-Vertretungen beantragen zu können. Als sicherheits- und friedenspolitische Themen wurden die Beziehungen zu Russland und der Türkei kritisch beleuchtet und gleichzeitig die Bedeutsamkeit einer strategischen Zusammenarbeit betont. Weiterhin war das Vorgehen gegen den Islamischen Staat Teil des Leitantrags des Bundesvorstandes, welches in besonderem Maße eine gemeinsame Innen- und Außenpolitik fordert. Gleichzeitig dürfen Maßnahmen hier nicht zur Aussetzung des Rechts auf informelle Selbstbestimmung führen, weswegen wir auf die Disziplinierung europäischer wie ausländischer Geheimdienste hinweisen.

Wir brauchen eine gemeinschaftliche Flüchtlingspolitik

Angesichts der intensiven öffentlichen Debatte um die Flüchtlingspolitik in Deutschland und Europa haben wir unsere bestehende Beschlusslage dazu erweitert und klargestellt, dass zusätzliche europäische Mittel zur Unterstützung der Flüchtlingscamps in angrenzenden Staaten der Krisenregionen als erster Schritt bereitgestellt werden müssen. Zur langfristigen Entspannung der Situation muss zudem dringend eine geregelte Asyl- und Einwanderungspolitik für gefahrlose Asylantragstellung geschaffen werden.

Wir regen die Verteilung der Verantwortung für die Flüchtlinge nach einem System in Anlehnung an den Königsteiner Schlüssel an, der in Deutschland die Verteilung unter den Bundesländern regelt. Dieser Verteilungsschlüssel ist von der Europäischen Kommission zu entwickeln und zu überwachen. Bei der weiteren Anpassung des Dublin-Systems fordern wir außerdem, dass sofern sichere Herkunftsstaaten beschlossen werden, auch die Sicherheit von sexuellen Identitäten und Orientierungen als Kriterium aufgenommen werden muss. Des Weiteren sprechen wir uns für eine Ausweitung des Resettlement-Programms aus, verbunden mit Personalaufstockungen in den Botschaften und bei der Seenotrettung. Angesichts des hohen Anteils von Sinti und Roma unter den Balkanflüchtlingen aufgrund deren systematischer Benachteiligung in ihren Heimatländern, fordern wir die Erarbeitung und Umsetzung zielgerichteter Antiziganismusstrategien.

Bereits auf dem Bundeskongress 2013 haben wir uns für die Abschaffung der bisherigen Dublin-Regelungen zu Gunsten eines menschenwürdigen, gemeinschaftlich-europäischen Asylrechts ausgesprochen. Dazu gehörte beispielsweise die Forderung nach der sofortigen Aussetzung der EURODAC-Verordnung. Der diesjährige Antrag stellt eine gelungene Ergänzung und Weiterentwicklung der Beschlusslage dar.

Balkanstaaten Perspektive bieten

Für die mit den Herausforderungen in der Flüchtlingspolitik einhergehende Diskussion um den Umgang mit den Staaten des Westbalkans, brachten wir uns mit einem Antrag ein. Wir als JEF Thüringen wollen eine klare Perspektive für die Länder des Westbalkans für einen EU-Beitritt – Albanien, Mazedonien, Montenegro und Serbien haben immerhin schon einen Status als Beitrittskandidaten. Wir sind der Überzeugung, dass ein „Brain Drain“ vom Balkan in die westeuropäischen Staaten auch eine Schwächung der betreffenden Volkswirtschaften bedeutet und keine langfristige Lösung der Probleme darstellt. Der auf der Westbalkankonferenz in Wien am 27. August 2015 beschriebene Pfad der wirtschaftlichen Konsolidierung soll fortgeführt werden und auch der politischen Stabilität der betreffenden Staaten helfen. Deswegen soll eine konsequente und langfristig angelegte Unterstützung arbeitsschaffender Investitionen, Fachkräfte in den Beitrittskandidaten binden. So ist eine ökonomische und administrative Modernisierung möglich. Eine Anbindung an die wirtschaftlichen Zentren der Union bietet Gewähr für eine stärkere ökonomische Einbindung der Länder. Die EU-Mitgliedstaaten können und müssen zeigen, dass sie ihre beispiellose wirtschaftliche und politische Integrationsleistung auch für diejenigen Länder aufbringt, die an ihren Grenzen in die Europäische Union streben. Mit der breiten Zustimmung des Bundeskongresses hat sich auch die JEF Deutschland diese Ansicht zu Eigen gemacht.

Interrail-Ticket zur Volljährigkeit

Um Europa in seiner Vielfalt und Freizügigkeit für Unionsbürger*innen erlebbar zu machen, setzt sich die JEF Deutschland für ein kostenloses Interrail-Ticket zum 18. Geburtstag ein. Dieses Ticket soll bis zum 27. Lebensjahr einlösbar sein und sich an das Erasmus+-Programm angliedern, um insbesondere auch Nichtakademiker*innen europäische Reiseerfahrung zu ermöglichen.

Europäische Geheimdienste

Im letzten Antrag auf dem Bundeskongress 2015 haben wir uns mit den Geheimdiensten auseinandergesetzt und festgestellt, dass sich diese der parlamentarischen Kontrolle entziehen. Als Gegenmaßnahme haben die Delegierten mit großer Mehrheit vorgeschlagen, dass sichergestellt werden muss, dass sich die Geheimdienste im verfassungsrechtlichen Rahmen bewegen. Gleiches muss für No-Spy-Abkommen der EU-Mitglieder untereinander und mit den NATO-Partnern außerhalb der Europäischen Union gelten. Außerdem hat der Bundeskongress beschlossen die Einführung europäischer Geheimdienste zu fordern, welche die nationalen ersetzen sollen.

Intensive Diskussion – auch abseits der Antragsberatung

Um sich im Sinne von Best Practice untereinander mit anderen Landesverbänden über verschiedene Herausforderungen und Strategien zu verständigen, bot das World Café eine gelungene Plattform zum Austausch über Themen wie Verbandsentwicklung, europäische Medien, Finanzierung oder die Zusammenarbeit mit anderen Jugendorganisationen. Die angesprochenen Punkte werden in den jeweiligen AGs aufgegriffen und weiter erarbeitet.

Zum Abschluss des Bundeskongress fand eine Fishbowl-Diskussion mit Vertretern der Parteijugendorganisationen statt. Unter der Frage „Generation Alternativlos – Machen uns die Alten Europa kaputt?“ wurde gemeinsam darüber diskutiert wie die gemeinsame Zusammenarbeit in Zukunft aussehen könnte, um als progressive Jugend europäisches Bewusstsein zu schaffen. Dabei entstand eine spannende Debatte über den Wert der Überparteilichkeit der JEF, aber auch Vorschläge über gegenseitiges Antrags-, Rede- oder Stimmrecht bei künftigen Veranstaltungen wurden besprochen.

Bundesverband führt neues Logo ein

Der Bundesverband hat nach den ersten drei Landesverbänden Berlin-Brandenburg, Hamburg und Thüringen nun auch ein neues Logo in Anlehnung an die Vorlage der JEF Europa eingeführt. Ziel ist ein gemeinsames starkes Corporate Design des Gesamtverbandes. Damit gehen wir einen Schritt hin zur besseren Wiedererkennbarkeit der Jungen Europäischen Föderalisten von Portugal bis Aserbaidschan und von Norwegen bis Malta. Die neu gestaltete, deutlich übersichtlichere Website der JEF Deutschland ist seit einigen Tagen unter [icon type=“link“] www.jef.de zu finden.

Die JEF Thüringen gratulieren außerdem Tilmann Hartung zur Nachwahl zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden der JEF Deutschland sowie den neuen Beisitzer*innen im Bundesvorstand Christian Gonder und Marina Lessig.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Bundeskongress 2015 nicht nur durch die Rekordanzahl von 120 Teilnehmern ein voller Erfolg war, sondern auch durch die selbstreflexiven und selbstkritischen Analysen über die Verbandsarbeit und vor allem die fortschrittlichen wie nachhaltigen Diskussionen und Beschlüsse inhaltlicher Art. Der Erfüllung des Mottos „Wir holen uns Europas Zukunft zurück“ sind wir als JEF Deutschland damit einen Schritt näher gekommen. Als Landesverband Thüringen nehmen wir viele Ideen, Motivation und frisches Europabewusstsein mit nach Hause und arbeiten weiter an diesem Ziel.

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Erlebnisbericht

Belarus, was geht hier vor sich?

Ein europäischer Erlebnisbericht von Sarah Grandke (Mitglied der JEF Erfurt)

Nun ja, auf den ersten Blick ist Belarus ein tolles Land. Jeder hat Arbeit und ist rundum, zumindest zu einem absoluten Minimum, staatlich abgesichert – jedenfalls scheint es so. Nutella, Coca Cola, deutscher Markenkäse, L’Oreal-Mascara und in Minsk sogar McDonald’s. Dazu auch noch, nun, nennen wir es eine (halbwegs?) „stabile politische Lage“. Mit anderen Worten, alles was das Herz begehrt, oder?

Ich fuhr mit dem Volksbund für Kriegsgräberfürsorge in diesem Sommer für ein Workcamp drei Wochen nach Belarus. In ganz Europa organisiert die Deutsche Kriegsgräberfürsorge Reisen und Sommercamps für Jugendliche aller Nationen. Pro Woche werden circa 20 Stunden auf Kriegsgräbern gearbeitet, sowohl auf deutschen Soldatenfriedhöfen als auch auf Kriegsdenkmälern und Grabstätten aller Opfer des Krieges. Für mich ging es nach Belarus, oder wie man in Deutschland sagt, Weißrussland – in „die letzte Diktatur Europas“. Historisch wie politisch ist Belarus ein hochinteressantes Land das Jahrhunderte unter der Herrschaft von Fremden (Polen-Litauer, Deutschen, Russen, …) und im Zweiten Weltkrieg mit am Stärksten unter den Auswirkungen des Russlandfeldzuges zu leiden hatte. Schon das allein wäre bereits einen ausführlicheren Artikel wert.

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In diesem Portemonnaie befinden sich zwei Euro...
In diesem Portemonnaie befinden sich zwei Euro…
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Propaganda allenorten: „Ich liebe Belarus!“
Propaganda allenorten: „Ich liebe Belarus!“
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Umbettung von 1.000 deutschen Soldaten
Umbettung von 1.000 deutschen Soldaten
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Ich bin mit einer sehr ambivalenten Haltung nach Belarus gefahren und habe diese auch beibehalten. Ja, es gibt sie, die sehr verarmten Dörfer ohne fließendes Wasser, scheinbar fernab jeglicher Zivilisation und Moderne – und dann dreht man sich um und sieht ein unglaublich modernes Eishockeystadion, von dem selbst die eine oder andere Landeshauptstadt in Deutschland nur träumen kann. Und ja, es gibt in den Supermärkten alles, wirklich alles. Noch dazu beschafft der Staat nahezu jedem einen Arbeitsplatz und wenn es nur bedeutet leere Einkaufskörbe zu reinigen oder Gemüse abzuwiegen und danach die Tüten zu verschließen. Doch zu welchem Preis geschieht das alles? An der Kasse war ich stets verwirrt, so viele Nullen und Kommastellen auf der Anzeigetafel, am Ende war die Kassiererin genervt und suchte sich zwischen meinen ganzen – wirklich wertlosen – Scheinen, das Geld selbst zusammen. Beim Geldumtauschen – Euro in belarussische Rubel – war man schon nach kurzer Zeit nicht mehr der einzige in der Bank. Nicht selten bildeten sich Schlangen und wir Deutschen – mit Euros – wurden umgarnt und gefragt, ob wir nicht direkt mit den Leuten tauschen wollten, anstatt mithilfe der Bank… Anfang des Jahres wurde die belarussische Währung so sehr abgewertet, dass innerhalb eines Tages die Leute zwei bis dreimal ärmer wurden – und das von heute auf morgen. Nur für Benzin, Tabak, Brot und Alkohol existieren staatlich fixierte Preise. Alle anderen Preise lässt die Inflation ins Unermessliche steigen. So kann es auch durchaus vorkommen, dass auf einer Saftpackung gleich vier Preisschilder übereinander kleben und der sogar teurer ist, als eine Flasche Wodka.

Dennoch gibt es immer noch genügend Menschen, die für Aljaksandr Lukaschenka eintreten, den „Vater“, wie er im eigenen Land auch gern genannt wird – oder eben in Westeuropa als der „letzte Diktator Europas“. Objektive Beobachter, wenn es diese denn in einem autoritären Staat überhaupt gibt, sprechen immer noch von einer Zustimmung von 40 bis 60 Prozent der Bevölkerung – kann da von Diktatur gesprochen werden? Ich weiß es nicht und auch, wenn ich die Zustände noch so sehr verstehen will, finde ich keine rechte Erklärung. Ich weiß nur, dass in dem Land etwas schief läuft und das ganz massiv. Wer sich öffentlich gegen das Lukaschenka-Regime äußert, ja sich sogar traut zu demonstrieren, der hat ein Problem. Studierende, die an Protesten beteiligt sind, können – und werden auch oft genug – exmatrikuliert. Rund 80 Prozent der Wirtschaft sollen in staatlicher Hand sein – verliert jemand seinen Job, so steht er allein auf weiter Flur, denn es gibt kaum Möglichkeiten einen neuen Arbeitsplatz zu finden – vor allem nicht für einen Lukaschenka-Gegner.

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Ein beliebiges Haus in einem belarussischen Dorf
Ein beliebiges Haus in einem belarussischen Dorf
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Minsk, Musterstadt des Sozialismus
Minsk, Musterstadt des Sozialismus
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„Zusammen sind wir Weißrussland“ steht an jeder Ecke auf großen Schildern. Im Hintergrund eine glückliche Familie und die Farben grün und rot, die Nationalfarben. Ist nicht dieses Plakat zu sehen, dann aber zumindest „Ich liebe Belarus“, dazu passend auch der belarussische Beitrag zum Eurovision Song Contest im Jahr 2011: „I love Belarus“. Im Supermarkt dann der Aufruf: „Kauft belarussisch“. Das Credo heißt Zusammenhalten, vor allem vor den Ausländern die bisher immer nur Schlechtes nach Belarus brachten – Unterdrückung, Krieg und Leid. Die Schlussfolgerung (des Regimes) daraus? Abschottung und Autarkie soweit es geht. Seit einiger Zeit sogar durchaus erzwungenermaßen, denn wirtschaftliche und politische Sanktionen, die massive (belarussische) Finanzkrise, welche es dem ehemaligen Sowjetstaat nahezu unmöglich macht Produkte aus Westeuropa zu importieren, denn bezahlt werden müssen diese in Euro oder Dollar – und die gibt es in Belarus nicht (mehr). Dazu auch die hohe Inflation. Das alles macht Belarus das Leben schwer – und isoliert es zunehmend.

Die große Frage ist, wie es nun mit Belarus weitergeht. Das Land ist schon jetzt stark gespalten. Nicht nur in Lukaschenka-Gegner und Befürworter, sondern auch in Stadt und Land. Minsk ist eine sehr pulsierende, junge und moderne Stadt. Hier befindet sich auch die Opposition. Auf dem Land sieht es da schon ganz anders aus. Vor allem dort befinden sich die Lukaschenka-Anhänger – vor allem die Älteren, die sich erinnern, wie wirtschaftlich gut es ihnen zur Sowjetzeit ging (Belarus galt zu Sowjetzeiten als Musterbeispiel des Sozialismus) und wie unglaublich schlecht die Lage nach dem Zerfall der UdSSR und der unfreiwilligen Unabhängigkeit war. Sie haben Lukaschenka 1994 auf demokratische Weise zum Präsidenten gewählt. Trotz Verfassungsbrüchen und einem sehr starken Autoritarismus gibt er dem Land Stabilität. Viele Belarussen sehen den massiven Wohlfahrtsunterschied zu Russland, das politische Chaos in der Ukraine und nicht zuletzt, die Kriege im Kaukasus – da erscheint das „belarussische Modell“ für viele doch als ganz angenehm. Die Zeit wird zeigen, wie es mit dem Land an der Grenze zur Europäischen Union weitergeht. Spätestens im Spätherbst und Winter werden sich die massiven Preissteigerungen für Lebensmittel bemerkbar machen. Schafft es das Regime nicht dem entgegenzuwirken, so könnte die Unzufriedenheit der Belarussen weiter ansteigen und zu neuen Demonstrationen führen. Auch zu einer Demokratisierung? Es wäre den Belarussen zu wünschen.