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Ja zu Thüringen, ja zu Europa – Bündnis 90/DIE GRÜNEN Thüringen zu ihrer Europapolitik

Wir möchten euch dazu motivieren bei der Landtagswahl am 27. Oktober demokratische und pro-europäische Parteien zu wählen. Europäische Themen spielen auf Landesebene leider oft nur eine untergeordnete Rolle. Uns ist es jedoch wichtig auch dieses Thema der Landespolitik zu betrachten. Dafür haben wir den demokratischen Parteien des Thüringer Landtags, sowie der FPD, den Freien Wählern, den Piraten und Demokratie DIREKT! drei kleine Fragen zu Thüringen und Europa gestellt.

Hier findet ihr die Antworten der dritten Regierungspartei Bündnis 90/DIE GRÜNEN.

1. Worin sehen Sie die Verbindung von Europa- und Landespolitik und welche Bedeutung kommt ihrer Meinung nach der EU insbesondere für Thüringen zu?

In der Europäischen Union leben 508 Millionen Bürger*innen in 27 Mitgliedsstaaten. Seit nunmehr 70 Jahren ist Europa ein Garant für Frieden mit gemeinsamen Grund­rechten, die die persönlichen Freiheiten wie die Achtung des Privatlebens, Gedanken-, Religions- und Versammlungsfreiheit, die Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit durch die EU-Charta der Grundrechte schützt.

Europa bedeutet Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit, eine gemeinsame Wirtschafts- und Währungsunion ohne Binnengrenzen sowie Freizügigkeit, die uns Thüringer*innen ermöglicht, innerhalb der EU zu reisen und den Wohnsitz zu wählen. So studieren beispielsweise viele junge Thüringer*innen über das Erasmus-Programm im Ausland und viele Studierende aus anderen europäischen Ländern studieren an Thüringer Hochschulen.

Europa sind auch die vielen unterschiedlichen Regionen, Städte und Kommunen in der Europäischen Union. Dass auch Thüringen direkt von europäischer Politik profitiert, zeigt sich u.a. an den vergangenen Förderperioden. So stehen dem Freistaat als „Übergangs­region“ in der aktuellen Förderperiode 2014 bis 2020 beispielsweise 1,17 Mrd. € aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), 499 Mio. € aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) und 680 Mio. € aus der EU-Förderung für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum (ELER, LEADER) zur Verfügung.

Viele Projekte und Vorhaben bei uns in Thüringen konnten nur durch diese Struktur­mittel verwirklicht werden wie zum Beispiel die Grundsanierung des Goethe-Schiller-Archivs in Weimar, mit 2,3 Mio. € EFRE-Mittel gefördert, oder der Bau eines Gewerbe­gebietes in Zella-Mehlis, mit 0,9 Mio. € EFRE-Mitteln gefördert. Hier sind inzwischen fast 280 Unternehmen ansässig. Auch Umwelt-, Naturschutz und soziale Projekte werden gefördert.

Auch die Rolle der Regionen innerhalb der Europäischen Union ist in letzten Jahren immer wichtiger geworden. Im Ausschuss der Regionen (AdR), in dem Thüringen ebenso mit Mitgliedern vertreten ist, werden die Anliegen der kommunalen und regionalen Ebene, die oft für die Umsetzung von EU-Recht vor Ort zuständig ist, in den europä­ischen Entscheidungsprozess eingebracht. In bestimmten Bereichen (Struktur- und Regionalpolitik, Transeuropäische Netze, Bildung, Kultur, Jugendpolitik, Gesundheit, Kohäsion, Beschäftigung, Soziales und Umwelt) muss der AdR von der Europäischen Kommission zwingend gehört werden, bevor Rechtsakte erlassen werden.

Insgesamt stehen Thüringen durch die Vertretung des Freistaats in Brüssel, eine proaktive, europäisch ausgerichtete Mitwirkung im Bundesrat, im Ausschuss der Regionen sowie in weiteren Gremien eine Vielzahl von Mitwirkungsinstrumenten in Europaangelegenheiten zur Verfügung. Auch der parlamentarische Ausschuss für Europa, Kultur und Medien behandelt in öffentlichen Sitzungen u.a. Richtlinienvorschläge der Europäischen Kommission und bewertet diese auf Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit. So kann sichergestellt werden, dass öffentliche Aufgaben möglichst bürgernah – zum Beispiel auf der Ebene der Kommunen oder der Bundesländer – geregelt werden. Erst wenn ein bestimmtes Problem dort nicht gelöst werden kann, wird die Regelungs­kompetenz auf Bundes- oder EU-Ebene weitergegeben.

2. Für welche Programme und Schwerpunkte würden Sie gerne in der nächsten Förderperiode des Europäischen Sozialfonds von 2012 – 2027 mögliche EU Investitionen nutzen?

Die Bedeutung des ESF sowie die Forderungen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an den ESF hat Terry Reinke, Mitglied des Europäischen Parlaments, sehr treffend in einer Broschüre zusammengefasst, die hier heruntergeladen werden kann:

https://terryreintke.eu/wp-content/uploads/2019_ESFPlus_A6_WEB.pdf

3. Wie möchten Sie die Europapolitik in Thüringen in den kommenden Legislaturperioden fördern und welche Ideen haben Sie für ein starkes Europa?

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehen es als Aufgabe unseres Landes an, auch in den kommenden Jahren für ein stärkeres, demokratischeres und sozialeres Europa zu streiten. Für uns ist klar, dass wir die Herausforderungen unserer Zeit nur gemeinsam lösen können. Für grenzüberschreitende Probleme kann es keine nationalen Lösungen geben. Uns besorgt, dass dieses einzigartige Projekt bedroht wird – durch Populismus, Nationalismus, Egoismus. Die Entscheidung der Brit*innen für den Brexit ist dafür genauso Ausdruck wie die Zunahme populistischer, europafeindlicher Strömungen in vielen Mitgliedsstaaten. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind und bleiben überzeugte Europäer*innen. Wir setzen auf eine Politik, die europäische Solidarität zum Kompass hat – denn die nutzt den Menschen in allen Mitgliedstaaten und uns hier in Thüringen am meisten.

Wir wollen Thüringens Stimme und Einfluss nutzen, um die Europäische Union transparenter, demokratischer und bürger*innennäher zu machen. So soll das Europä­ische Parlament in allen Bereichen gleichberechtigt mit dem Rat entscheiden können und ein eigenes vollwertiges Initiativrecht für europäische Gesetzgebungen erhalten. Wir wollen uns auf Bundesebene dafür einsetzen, das die Europäische Bürgerinitiative (EBI) als Instrument der direkten Bürger*innenbeteiligung und Teilhabe gestärkt, ausgebaut und entbürokratisiert wird. Unionsbürger*innen an ihrem ständigen Wohnsitz sollen überall in der EU wählen dürfen, wenn sie seit fünf Jahren dort leben – nicht nur bei Kommunal- und Europawahlen, sondern auch bei regionalen und nationalen Wahlen. Die Beratung von Arbeitnehmer*innen aus anderen EU-Mitgliedstaaten wollen wir in Thüringen verbessern und die EU-Beratungsstellen ausbauen.

Wir setzen uns dafür ein, dass Kommunen und Regionen ein gesichertes Mitspracherecht erhalten und regelmäßig in Konsultationen, Anhörungen und Feedbacks in Gesetz­gebungsverfahren sowie bei der Gestaltung von Förderprogrammen, die sie betreffen, einbezogen werden. Die Rechte des Europäischen Ausschusses der Regionen, der Versammlung der Regional- und Kommunalvertreter*innen der Europäischen Union, müssen daher gestärkt werden. Im Zuge der Mitwirkungsrechte im Zusammenhang mit dem Lissabon-Vertrag wollen wir die Europa-Kompetenz des Thüringer Landtages und der Thüringer Landesregierung weiterhin stärken und die europapolitische Koordination der Bundesländer, insbesondere im Rahmen des Subsidiaritäts-Frühwarnsystems, verbessern.

Förderung durch die Europäischen Strukturfonds dient der Angleichung der Lebensverhältnisse in Europa und sichert mittelbar auch das friedliche Zusammenleben. Thüringen hat in den vergangenen Dekaden von Mitteln aus diesen Fonds erheblich profitiert. Bei der Neuausrichtung der EU-Förderpolitik in der Förderperiode ab 2020 muss sich der Mitteleinsatz am Leitbild nachhaltiger Entwicklung und an den Klima­schutzzielen der Europäischen Union orientieren. In einer Landesregierung werden wir uns dafür einsetzen, dass Thüringen die Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe, den Schutz der Umwelt und die Förderung des sozialen Zusammenhalts bei der regionalen Ausgestaltung der Förderkriterien in das Zentrum der Förderpolitik stellt. Insgesamt muss der Verwaltungsaufwand der EU-Förderprogramme, besonders für Kleinprojekte, erheblich reduziert werden.

Das Herz der Europäischen Union ist das Miteinander der Bürger*innen. Wir wollen europäische Städte- und Regionalpartnerschaft stärken, intensiv fördern und ausbauen. Unsere Unterstützung gilt dabei insbesondere den kleineren Kommunen. Wir setzen uns auf europäischer Ebene dafür ein, dass das EU-Programm „Erasmus+“ für den Austausch von Studierenden einfacher gestaltet wird und Zugangshürden gesenkt werden. Auf Landesebene wollen wir Informationsangebote verbessern und Antrags- und Anerken­nungsverfahren vereinfachen. Zudem unterstützen wir Schulen darin, „Europaschule“ zu werden. Möglichst viele Schüler*innen sollen durch Angebote der Europaschulen die europäische Dimension wahrnehmen und beispielsweise vom gegenseitigen Austausch profitieren.

Wir setzen uns ein für eine Europäische Union, die zusammensteht und sozial gerecht ist. Nur so können wir Frieden und Wohlstand auf Dauer und für alle sichern. Und wir brauchen eine Europäische Union, die die Klimafrage ernsthaft angeht, die sich tatsächlich zu den Pariser Klimazielen bekennt und endlich danach handelt. Nur so können wir die verheerenden globalen Folgen eindämmen und auch unseren Kindern eine bestmögliche Zukunft ermöglichen. Klimaschutz muss europäisch und global gedacht werden.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen mehr Europa. Wir wollen ein Europa, das gerechter, sozialer, ökologischer und demokratischer ist! Dafür setzen wir uns ein – in Thüringen, im Bund und im Europäischen Parlament.